Die Auswirkung der Neudefinition der Kontrollpyramide in der Fertigung auf Entscheidungen der IT-Manager auswirkt – und wie die industrielle Cloud die Antwort sein könnte.
Üblicherweise haben Fabriken und Hersteller eine strukturierte Kontrollpyramide benutzt, um die Automatisierung einzuführen und die Datenerhebung und -erfassung vor Ort zu verwalten. Derzeit stehen Hersteller vor großen Herausforderungen, da sie riesige Mengen an Echtzeitdaten speichern, verarbeiten und analysieren müssen. Die Verarbeitung dieser Daten unterstützt neben weiteren Vorteilen die Optimierung der Wertschöpfung einer Fabrik, die Entwicklung von Lösungen für die vorausschauende Instandhaltung, die Möglichkeit, die Einhaltung der Vorschriften und die Produktionsleistung auf Maschinenebene nachzuverfolgen und kundenspezifische Produktkonfigurationen zu entwickeln. Die industrielle Cloud kann möglicherweise als Grundlage für die langfristige Speicherung und Lernprozesse aus diesen Daten dienen.
In diesem Artikel werden wir das Potenzial der industriellen Cloud und die neue Matrixstruktur der modernen Interkommunikation untersuchen.
In der typischen Pyramidenstruktur, die früher von Fabriken genutzt wurde, war der Unterbau der Pyramide die physikalische Ebene. Sie bestand aus Hardware, Stellantrieben und Sensoren auf Produktionsebene. Die nächste Ebene bestand aus SPS (speicherprogrammierbarer Steuerung) und PID-Steuerung (proportional-integral-derivativ), die den Input aus dem Unterbau steuerte und empfing. Die nächste Ebene war die SCADA-Ebene (Supervisory Control and Data Acquisition) mit integrierten Mensch-Maschine-Schnittstellen (HMIs). Diese Ebene steuerte die anderen Ebenen darunter. Damit konnte das Personal Informationen über die HMIs einsehen und empfangen sowie Fabrikprozesse von einer zentralen Stelle aus steuern.
Die Ebene des „Manufacturing Execution“-Systems (MES) war das integrierte Informationsmanagement, das Daten aus der Fertigung erfasste und in die Planung, das Dokumentenmanagement sowie die Personal- und Ressourcenverwaltung einbezogen war. Es verfolgte die Rohstoffe von ihrem Ausgangspunkt bis zum Endprodukt.
Die oberste Ebene der Pyramide war das Managementsystem oder das ERP („Enterprise Resource Planning“). Diese Ebene bestand aus verschiedenen Softwarekomponenten und ermöglichte der Geschäftsführung Steuerung und Überwachung sämtlicher Vorgänge in der Fabrik.
Das Hauptproblem bei diesem hierarchischen, linearen Modell bestand darin, dass es keiner modernen Fertigungsumgebung entsprach, welche darauf basiert, mehrere Maschinen, Abteilungen, Geräte, Lieferanten, SCADA-Systeme und eingebettete HMIs an einem oder an mehreren Standorten miteinander zu verknüpfen. Ebenso wird die Kommunikation zwischen den Maschinen untereinander immer wichtiger.
Betrachten wir das Szenario einer Fleischfabrik, in der Fleisch geschnitten, gekocht, gekühlt und verpackt werden muss. Zudem muss das Werk Berichtsdaten erheben, die an das US-Landwirtschaftsministerium (USDA) übermittelt werden sollen, um die Konformitätsstandards zu erfüllen. Ein eingebettetes HMI in diesem System muss möglicherweise seinen Input direkt von den Sensoren der verschiedenen Maschinen empfangen und Alarme auslösen, wenn die Temperatur an der Kochmaschine zu niedrig ist, und die anderen für die Berichterstattung erforderlichen Daten an einen entfernten Server übermitteln. Eine Pyramidenstruktur ist für diese Art der Datenerfassung und -übermittlung nicht geeignet.
Die andere wichtige Einschränkung betrifft Big Data. Heutzutage übliche Fertigungsprozesse erzeugen Millionen von Datenpunkten. Diese Daten werden nun für vorausschauende Analysen, Datenprofilierung, vorausschauende Instandhaltung, KPI-Dashboards und Produktoptimierung verwendet.
Wir wollen den Hinweis auf die Grenzen des Pyramidensystems für moderne Fabrikprozesse veranschaulichen: Mercedes-Benz prüft mithilfe der vorausschauenden Analyse mehr als 600 Parameter, die sich im Werk auf die Qualität seiner Zylinderköpfe auswirken könnten. Sie haben ein Big-Data-System eingeführt, das Echtzeitdaten zur Produktion seiner Einspritzventile überprüft. Das System identifiziert die relevanten Trends, überprüft die Einhaltung und meldet automatisch Fehler zwecks Korrektur an die Bediener.
Das Pyramidensystem wurde nicht als flexibler Big-Data-Speicher oder zur Übermittlung dieser Daten an die verschiedenen Maschinen, Geräte und Server, die sie benötigen, konzipiert.
Interoperabilität ist ebenso ein Problem. Im modernen Kontext müssen Maschinen, Server, HMIs und Geräte integriert und nicht schrittweise miteinander kommunizieren können. Außerdem mussten MES und ERP weiterentwickelt werden und offene Standards aufnehmen, da in den meisten Fällen urheberrechtlich geschützte Software verwendet wurde.
Wegen der riesigen Datenmengen, welche die Fabriken zu erzeugen begonnen haben, ist eine Speicherung der Daten auf physischen Geräten nicht mehr möglich. Mit dieser Situation sind viele Unternehmen und IT-Manager auf der ganzen Welt konfrontiert.
Die erste Reaktion darauf war die Cloud, welche das Problem des begrenzten Speichers überwand und sicherstellte, dass der Endbenutzer die technischen Aspekte bestimmter Prozesse nicht verstehen musste, da sie alle per Fernzugriff verwaltet und bei Bedarf bereitgestellt wurden. Die IT-Manager in verschiedenen Branchen begannen, in die Cloud zu gehen, und Daten wurden bei Bedarf per Fernzugriff gewartet, verwaltet und bereitgestellt.
Die Industrie ist im Vergleich zu anderen Branchen sehr konservativ, was die Einführung neuer Technologien angeht. Sie informiert sich vorzugsweise erst über die Vor- und Nachteile der von anderen Sektoren übernommenen Technologien, bevor sie sich entscheidet, ob sie diese annehmen soll oder nicht. Der Hauptgrund dafür ist, dass die voreilige Einführung neuer Technologien ohne Voraussicht oder andere, beispielhafte Modelle zu kostspieligen Problemen mit der Produktionslinie und zu Ausfallzeiten führen kann.
Obwohl die Industrie eindeutig einen robusten wirtschaftlichen Cloud-Datenspeicher benötigt, um die Anforderungen an eine „Smart Factory“ zu erfüllen, hat man diesen Ansatz eher vorsichtig verfolgt. Die Optionen der industriellen Cloud sind außerdem mit einem enormen Kostenaufwand verbunden. Dieser liegt in der Regel über dem Betrag, den sich eine „normale“ Fabrik leisten kann.
Die IoT-Branche hat unzählige zentralisierte und kostengünstigere Beispiele für die Industrie bereitgestellt, um die Grenzen des Pyramidenmodells zu überwinden.
Im Falle eines typischen IoT-vernetzten Hauses könnte ein Hausbesitzer über einen intelligenten Thermostat verfügen, der Daten von Dritten empfängt und so automatische Anpassungen vornehmen kann. Das bedeutet, dass der Hausbesitzer seine Nebenkosten senkt. Der gleiche Hausbesitzer könnte auch eine WLAN-fähige intelligente Kaffeemaschine haben, die Einstellungen und Kaffeesorten gemäß den Präferenzen des Hausbesitzers speichert, während dieser eine automatische Benachrichtigung auf seinem Apple iOS-Gerät erhält. Mit dem eingebauten Alexa-Hub könnte der Hausbesitzer dann alle intelligenten Geräte steuern, die mit dem Internet verbunden sind und Daten empfangen und generieren. Folglich wären Leuchten, Thermostate, Kaffeemaschinen und intelligente Türschlösser durch die Datengenerierung und -verarbeitung auf den jeweiligen Hausbesitzer abgestimmt und angepasst.Eine Fabrik, die ein IoT-System einführen will, könnte sich das vereinfachte IoT-Modell in den Heimsystemen ansehen und ein ähnliches Konzept anwenden – das natürlich an die komplexeren Fabrikprozesse angepasst wäre.
Dies könnte der Einstiegspunkt für weitere IT-Unternehmen in die Industrie sein, da sie über Erfahrungen mit der Einführung von IoT-Lösungen verfügen, von denen die Fertigungsumgebung profitieren könnte. Die Nutzung urheberrechtlich geschützter Protokolle und Standards ist aber eine Barriere für diesen Einstiegspunkt.
Es gibt ein ersichtliches Potenzial für die industrielle Datenspeicherung und -verarbeitung in der Cloud in einem zentralisierten Modell mit cloud-basierten Strategien. Ebenso wahrscheinlich ist es, dass die verteilte Kommunikation in den Fertigungsbereich zurückkehren wird.
Hochmoderne Maschinen würden miteinander kommunizieren, und die Daten würden nahe der Maschinen verarbeitet, anstatt sie in die Cloud zu laden. Dies würde eine enge Integration offener Standards wie zum Beispiel OPC UA („Unified Architecture“) und TSN („Time Sensitive Networking“) erforderlich machen, um diese Kommunikation zu erleichtern. Das würde eine wesentlich schnellere Datenverarbeitung ermöglichen, da ein hochmodernes Gerät nur die Daten verarbeitet, die es benötigt. Damit würde der Speicherbedarf sinken.
Dies würde mit den offenen Protokollen, die das hochmoderne Verarbeitungsmodell erfordern würde, einen weiteren Einstiegspunkt für IT-Unternehmen in die industrielle Welt ermöglichen.